COLD CASE DES MONATS: Tötungsdelikt z. N. von Lieve Desmet (1984)

Der Mord an Lieve Desmet

Wer tötete Lieve Desmet?


Ich habe mich etwas mit dem Cold Case des Monats Dezember verspätet. Ich möchte für das Format Cold Case des Monats jedes Mal neue Fälle vorstellen, manchmal ist es aber schwer neue Fälle zu finden, da ich hier im Blog schon eine große Anzahl von Fällen veröffentlicht habe und dann müssen diese Fälle auch noch in das Format passen. Deshalb wird es sich wahrscheinlich manchmal nicht vermeiden lassen, das ich alte Cold Case Beiträge überarbeite und dann im Format Cold Case des Monats erneut veröffentlichen werde. Ihr könnt mir auch mal Fälle vorschlagen, mit denen ich mich noch nicht befasst habe. Dieses Mal habe ich mich wieder einen neuen Fall für das Format der Cold Case des Monats ausgesucht. 

Es handelt sich diesmal um einen belgischen Cold Case aus dem Jahr 1984. Das schlimme daran ist, dass in Belgien Mordfälle nach 30 Jahren verjähren. Die Staatsanwaltschaft hat die Akte bereits geschlossen, da der Täter keine Verurteilung mehr zu befürchten hat. Verjährt ist verjährt. Trotzdem gibt es Polizeibeamte, ehemalige Ermittler und Privatermittler, die den Fall trotzdem aufklären wollen, damit die Angehörigen Antworten auf ihre Fragen erhalten.

Bei uns in Deutschland, würde die Sache schon ganz anders aussehen, denn Mord verjährt nicht. Dass Mord nicht verjährt, ist in Deutschland heute eine Selbstverständlichkeit. Wer einen Menschen vorsätzlich und aus niederen Motiven umbringt, muss auch nach Jahrzehnten noch mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Das war jedoch nicht immer so. Die so genannte "Verjährungsdebatte" begleitete die Rechtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland fast zwei Jahrzehnte lang. Geführt wurde sie vor dem Hintergrund der Strafverfolgung der Verbrechen der Nationalsozialisten. Erst 1979 wurde das Strafgesetzbuch geändert und seitdem gilt: Mord verjährt nicht. Ich finde es schade, das es bei Mord in anderen EU-Ländern nicht auch so gehandhabt wird.

Das Verschwinden von Lieve Desmet

Am Montag, den 7. Mai 1984, verschwand die 13-jährige Lieve Desmet aus Dentergem, in Belgien. Lieve war Schülerin am Institut der Heiligen Familie (heute De Bron) in Tielt. Sie wurde zuletzt am Montagnachmittag vor dem grünen Tor der Schule gesehen. Sie stand neben ihrem Fahrrad und befestigte ihre Sachen für die Heimfahrt auf dem Gepäckträger. Sie nahm immer den selben Weg zur Schule oder nach Hause. Sie fuhr vom Institut der Heiligen Familie am Hultsplein in Tielt zur Driesstraat und fuhr dann über eine Landstraße zum Haus der Familie in Dentergem. An diesem Montagnachmittag kam sie aber zu Hause nicht an. Die Familie von Lieve machte sich gleich Sorgen, da Lieve immer pünktlich und sehr zuverlässig war. Gegen Abend meldete die Familie, Lieve bei der Polizei als vermisst.

Der Mord Lieve Desmet ist seit 1984 ungeklärt.
Wer tötete die 13-jährige?
Foto: Polizei Belgien

Die Suche

Die Polizei suchte die ganze Umgebung nach Lieve ab. Auch die Familie und Freunde der Familie suchten nach ihr.
Am selben Abend wurden Lieves Fahrrad und ihre Schultasche in der Marialoopstraat in Tielt gefunden. Diese Straße befand sich auf dem Weg, den Lieve normalerweise nahm. Von Lieve Desmet fehlte weiterhin jede Spur.

Lieves Fahrrad und ihre Schultasche wurden noch am Tag ihres Verschwindens
in der Marialoopstraat in Tielt gefunden.
Foto: Polizei Belgien

Die Entdeckung

Am Sonntag, den 29. Juli 1984, sechs Wochen später nach dem spurlosen Verschwinden von Lieve Desmet, fand eine Landwirtin die leblose Leiche der vermissten Lieve auf einem Gerstenfeld am Oude Gentweg zwischen den Ortschaften Kanegem und Arsele. Der Leichenfundort war nur wenige Kilometer von der Stelle entfernt, an der ihr Fahrrad und ihre Schultasche gefunden wurden. 

Die Obduktion

Durch die Obduktion  konnte festgestellt werden, das Lieve brutal vergewaltigt worden war. Anschließend wurde das Mädchen mit einem Seil erdrosselt. Das Seil hing noch um ihren Hals, als sie gefunden wurde.

Dieses Seil hing Lieve noch um den Hals, als ihre Leiche gefunden wurde. Wer kann mehr über das Seil sagen?
Foto: Polizei Belgien

Der Tatverdächtige

Bisher wurde der Täter noch nicht identifiziert. 
Die Kriminalpolizei untersuchte und befragte viele Personen. Durch die Befragungen konnten die Ermittler feststellen, das zu Tat relevanten Zeit mehrere Zeugen einen roten Volvo 144 wahrgenommen haben. Nach den ergebnislosen Überprüfung fast aller Halter der roten Volvos 144 in der Region, blieb nur ein Fahrzeug und Halter übrig mit dem die Polizei sprechen wollte.

So ein roter Volvo 144 Modell 1970 wurde mit der Tat in Verbindung gebracht.
Foto: Polizei Belgien

Verdächtiger Cafémanager verschwindet spurlos

Am Freitag, den 14. September 1984 , anderthalb Monate nach der Entdeckung der Leiche von Lieve Desmet, wollte die Polizei den Halter eines roten Volvos 144 Modell 1970 in Tielt befragen. Der 47-jährige Halter des roten Volvos, Gustaaf Vande Veire, war für die Polizei nicht mehr auffindbar. Er verschwand kurz nach dem Mord aus Tielt und der Umgebung. 

Warum wurde Gustaaf Vande Veire von der Polizei verdächtigt?

Gustaaf Vande Veire lebte damals mit seinem Sohn im Café 't Meerlaantje in der Nähe der Brücke, die über Driesstraat in Tielt führt. Lieve fuhr fast zweimal täglich mit dem Fahrrad durch die Driesstraat und kam deshalb auch regelmäßig am Café 't Meerlaantje vorbei. Lieve Desmet benutzte fast täglich diesen Weg, wenn sie zur Schule oder nach Hause fuhr. Gustaaf Vande Veire war Cafémanager und selbstständiger LKW-Fahrer. Er verschwand plötzlich mit seinem Fahrzeug, einem roten Volvo 144 Modell 1970, mit dem Kennzeichen FCA-327, spurlos aus Tielt. Seit diesem Tag wurde er nie wieder gesehen. Dieser vermisste LKW-Fahrer und Cafémanager bleibt bis heute in diesem Fall ein Verdächtiger, auch wenn seine Schuld nie mit Sicherheit nachgewiesen wurde. Es gilt die Unschuldsvermutung. Für die Ermittler war es natürlich sehr auffällig, das dieser Mann nach dem Mord, mit seinem Fahrzeug spurlos verschwand, bevor die Polizei mit ihn befragen konnte. Die Ermittler schließen auch nicht aus, dass der Mörder von externer Hilfe profitiert haben könnte. In den Jahren 1963-1965 war Gustaaf Vande Veire in der Region Gosselies und Warneton wohnhaft. Sein Sohn wurde zu dieser Zeit in Roux geboren wurde. Möglicherweise haben dort Freunde und Bekannte, Gustaaf Vande Veire geholfen unterzutauchen.

Zulassungsbescheinigung des roten Volvos wurde im Kanal gefunden

Am 28. September 1984, zwei Wochen nach dem Verschwinden von Gustaaf Vande Veire, tauchte die Zulassungsbescheinigung des roten Volvos 144 Modell 1970 im Wendebecken des Roeselare-Leie-Kanals, etwa 1 km vom Hafen von Roeselare auf. Dies alles brachte die Polizei auch nicht in ihren Ermittlungen weiter. Nachdem alle Spuren und Hinweise verfolgt und bearbeitet worden waren, wurden die Ermittlungen eingestellt. Die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei nahm sich in all den Jahren immer mal wieder die Akten in Lieves Fall tur Hand und suchte nach neuen Hinweisen, aber daraus ergaben sich auch keine neuen Ermittlungsansätze.  

Neue Ermittlungen im Jahr 2009

Fast 25 Jahre später, am 11. Februar 2009, wurde bei einer Suche nach einer vermissten Person im Hafen von Roeselare, das Wrack eines roten Volvo 144 entdeckt. Obwohl es noch keine Beweise dafür gibt, ist es möglich, dass der geborgene Volvo Gustaaf Vande Veire gehörte. Seine Leiche nicht in dem Volvo gefunden wurde.
Von Gustaaf Vande Veire wurde nie mehr eine Spur gefunden.

Obwohl sich die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei sich sehr bemühten Gustaaf Vande Veire und neue Ermittlungsansätze zu finden, blieben bis heute viele Fragen unbeantwortet. Es kam nie zu einem wirklichen Durchbruch in dem Fall.

Die folgenden Fragen bleiben daher unbeantwortet: 
  1. Ist das wirklich das Auto von Gustaaf Vande Veire?
  2. War es ein Unfall oder ein Selbstmord? 
  3. War Gustaaf das Opfer einer kriminellen Bande? 
  4. Wurde er und sein Fahrzeug von diesen Leuten in den Kanal geschoben? 
  5. Oder war er nicht an Bord seines Wagens, um es wie ein Unfallszenario wirken zu lassen, um dadurch Beweise zu überdecken? 

Die Age-Progression

Der Forensic Facial Imaging Service der Bundespolizei hat mit einem alten Foto von Gustaaf Vande Veire das Verfahren der Age- Progression durchgeführt. Das Foto hat man anhand gewisser Parameter künstlich altern lassen. 
So könnte Gustaaf Vande Veire in Alter von 72 Jahren ausgesehen haben.
Wenn Gustaaf Vande Veire heute noch am Leben wäre, wäre er inzwischen 83 Jahre alt. 
Seine linke Hand soll nach einem Unfall verstümmelt worden sein. 

Wer hat diesen Mann gesehen oder weiß wo er heute wohnt? 

Keine Beweise für eine Tatbeteiligung

Derzeit gibt es keine Beweise dafür, dass Vande Veire tatsächlich an der Vergewaltigung und Ermordung von Lieve Desmet beteiligt war. Es könnte sein, dass Lieves Mord und Gustaafs Verschwinden im selben Zeitraum und in derselben Region nur rein zufällig waren und nichts miteinander zu tun haben.

Das Profil des Verdächtigen

Auf der Grundlage aller relevanten Informationen und eines Besuchs am Tatort erstellten die Mitarbeiter der Bundesjustizpolizei ein Profil des Verdächtigen. 
Bei uns in Deutschland erstellt die operative Fallanalyse der Kriminalpolizei solche Profile. 
Dies kann bei der Identifizierung eines Täters sehr hilfreich sein. Alle Schlussfolgerungen weisen in die gleiche Richtung. Dies sind jedoch nur wahrscheinliche Annahmen.
  • Der Verdächtige hatte eine sichtbare Verbindung zur der Region. 
  • Der Täter hat die Tat tagsüber, draußen und mitten in der Stadt durchgeführt.
  • Der Täter ist dadurch ein relativ hohes Risiko eingegangen, entdeckt zu werden.   
  • Der Verdächtige zeigt kein Einfühlungsvermögen. 
  • Der Tatverdächtige hat in den Wochen oder Tagen vor der Tat Alkohol getrunken, um sich zu entspannen und seinen Stresspegel zu minimieren.  
  • Es ist sehr wahrscheinlich das diese Person auch direkt vor der Tat Alkohol getrunken hat. Wahrscheinlich haben auch andere Stressfaktoren die Tatausübung begünstigt. 
  • Solche Stressfaktoren wie  finanzielle oder Beziehungsprobleme und Impulsivität hatten Einfluss auf die Tatbegehung. 
  • Der Täter hat spontan gehandelt, da er die Gelegenheit sah, die Tat ungesehen durchzuführen.  Die Tat wurde aus persönlichen Eigeninteresse und zur Befriedigung der eigenen Bedürfnissen begünstigt. 
  • Der Verdächtige hat schon in der Vergangenheit sexuelle Handlungen begangen. 
  • Andere Menschen könnten ihn, als eine seltsame, komische oder bizarre Person wahrnehmen. 
  • Der Verdächtige könnte von einer anderen Personen unterstützt worden sein, mehr Alkohol zu konsumieren.

Fragen zum Opfer:
  1. Wer hat Lieve Desmet am Montag, den 7. Mai 1984, alleine oder in Begleitung gesehen, nachdem sie die Schule mit dem Fahrrad verlassen hatte?
  2. Hatte sie ein Verabredung oder ist sie dort geblieben, um noch mit jemandem zu plaudern? 
  3. Wer hat zwischen dem 7. Mai, dem Datum ihres Verschwindens, und dem 29. Juli 1984, dem Tag, an dem ihre Leiche entdeckt wurde, etwas Verdächtiges bemerkt oder beobachtet, das mit dem Verschwinden von Lieve Desmet oder dem Mord an Lieve Desmet in Zusammenhang stehen könnte ? 
  4. Wer hat mehr Informationen über dieses Verbrechen? 
  5. Möglicherweise hat sich der Täter im Laufe der Jahre jemanden anvertraut.
  6. Wer hat Lieves Brille und Sandalen gefunden? 
  7. Wer erkennt das Seil wieder und weiß wofür es verwendet wurde? 

Fragen zum Täter:
  1. Wer weiß mehr über das plötzliche Verschwinden von Gustaaf Vande Veire im Jahr 1984? 
  2. Wer hat Gustaaf Vande Veire am 14. September 1984 allein oder in Begleitung im Café De Viking in Roeselare gesehen? 
  3. Wer hat Gustaaf Vande Veire oder sein Fahrzeug nach dem 14. September 1984 gesehen?   
  4. Wer ist im selben Zeitraum und in selben Region Opfer eines Angriffs geworden? 
  5. Wer erkennt eine Person anhand des erstellten Profils der Mitarbeiter der Bundesjustizpolizei wieder? 

Jedes noch so kleine Detail könnte für den Rest der Untersuchung wichtig sein.

Hinweise nimmt die belgische Polizei unter der Rufnummer 0800/ 30 300 oder jede andere Polizeidienststelle entgegen.

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