FÜRSTENWALDE: Tötungsdelikt z.N einer unbek. Frau (1975)
Mord verjährt nicht
Konnte ausgerechnet in der DDR eine junge Frau einfach verschwinden? Seit 50 Jahren scheint sie niemand zu vermissen. Keiner sucht nach ihr.
Mit diesem Phantombild versucht die Kriminalpolizei, die Frau zu identifizieren. Foto: Polizei |
Es ist ein mysteriöser Fall, der an dramatisch inszenierte Krimis erinnert. Aber während in den Krimis, die Gutachten spätestens nach drei Stunden vorliegen und die Fälle spätestens nach drei Tagen gelöst sind, sieht das in der Realität ganz anders aus. Die Polizei wird wohl längere Zeit brauchen, um den Fall zu lösen. Die Behörden haben zahlreiche umfangreiche Gutachten in Auftrag gegeben und bis zur Fertigstellung der Gutachten, mussten die Ermittler eine längere Zeitspanne abwarten. Aber diese Zeitspanne nutzen die Ermittler und machten einen Abgleich von Vermisstenfällen. Allein dieser Abgleich mit den in Frage kommenden Vermisstenfällen hat auch viel Zeit in Anspruch genommen.
Erst, als klar wurde, dass keine der im letzten halben Jahrhundert hierzulande vermissten Menschen in Frage kam, ging die Polizei vor kurzem an die Öffentlichkeit. Bereits im Jahr 2011 waren die sterblichen Überreste der jungen Frau in einer mit Betonteilen und Steinen zugeschütteten Jauchegrube auf einem Grundstück in Fürstenwalde (Oder-Spree) gefunden worden. Zu DDR-Zeiten befand sich dort eine sogenannte Sero-Annahmestelle. Die Abkürzung stand für Sekundär- und Rohstofferfassung, die in der DDR flächendeckend betrieben wurde, um wiederverwertbare Materialien wie Flaschen, Gläser, Zeitungen, Textilien oder Schrott gegen ein geringes Entgelt aufzukaufen.
Da quasi alle Haushalte sammelten und die Altstoffe entweder selbst zur nächsten Annahmestelle schafften oder das Kindern überließen, die sich damit ein Taschengeld verdienten, waren die Sero-Annahmestellen stark frequentiert. Das traf auch auf große Sammelstellen wie in Fürstenwalde zu – auch deshalb hoffen die Ermittler, dass man vielleicht doch noch Hinweise auf die Identität der Frau oder gar den oder die Täter findet. Denn dass damals ein Verbrechen geschah, ist mehr als wahrscheinlich. Die Frau, deren Alter zum Todeszeitpunkt etwa 20 Jahre gewesen sein muss, starb offenbar durch stumpfe Gewalteinwirkung gegen den Schädel. Verletzungen der Knochen weisen darauf hin. Außerdem ergaben die Ermittlungen, dass ihre Leiche zwischen 1965 und 1975 in die Grube gelangt sein muss. Das konnte unter anderem durch Analyse der Textilien festgestellt werden, heißt es aus Ermittlerkreisen.
So fand man wohl Reste von Strümpfen oder einer Strumpfhose aus Dederon. Das ist eine Kunstfaser, die aus Perlon parallel zur Nylonfaser entwickelt – und nach der DDR benannt wurde, gewissermaßen D-e-D-e-e-R. Auch kleine Stofffetzen von – nach einem speziellen in der DDR verwendeten Verfahren hergestellten – „Malimo“-Strickwaren fanden sich in der Grube.
Rekonstruktion. So könnte die Frau auf dem Phantombild ausgesehen haben. Wer kennt die junge Frau? Foto: Polizei |
Die junge Frau soll etwa 1,60 Meter groß gewesen sein und dunkle Haare gehabt haben.
Die Ergebnisse der DNA-Analysen waren gut verwertbar, so dass die Ermittler hofften, durch Abgleich mit DNA-Proben von Familienangehörigen vermisster Menschen die Identität ermitteln zu können. Doch mehr als 90 Fälle erbrachten keinen Treffer.
Dass die Frau nicht vermisst wurde, ist schwer vorstellbar. Das im Überwachungsstaat DDR doch ein Mensch einfach so verschwinden konnte, war eigentlich fast unmöglich. Da wurden doch schon die Arbeitskollegen vorbeigeschickt, um nach dem Rechten zu sehen, wenn man mal einen Tag der Arbeit fern blieb. Überlegungen der Ermittler, wonach es sich um eine Arbeiterin aus Polen oder eine andere Ausländerin gehandelt haben könnte, seien ebenso zweifelhaft.
Mit der polnischen Polizei habe es damals schon eine gute Zusammenarbeit gegeben – und Ausländer wurden in der DDR noch stärker überwacht. Auch, dass – wie von manchen vermutet – der Staatssicherheitsdienst auf diesem Weg eine unliebsame Person aus dem Weg räumte, sei sehr unwahrscheinlich. Die hätten ganz anderes gearbeitet und eine unliebsame Leiche so verschwinden zu lassen, wäre garnicht nötig gewesen. Die hätten dann einfach einen Totenschein gefälscht und die Sache wäre ganz einfach erledigt gewesen.
Die Knochen wurden rechtsmedizinisch untersucht. Nun liegt das Ergebnis der Analyse vor – und ein Profil des Opfers:
- Die Knochen stammen von einer Frau.
- Sie war etwa 1,60 Meter groß.
- Sie hatte vermutlich dunkles Haar.
- Zum Zeitpunkt des Todes war sie etwa 20 Jahre alt.
Die Hoffnung der Ermittler ruht nun auf einem durch Rekonstruktion des Schädels erstellten Phantombild der jungen Frau und darauf, dass sich doch noch jemand an irgend ein wichtiges Detail erinnert.
Ein paar Hinweise, sind auch schon bei der Kriminalpolizei eingegangen. Diese werden nun bearbeitet.
Offenbar bewegt der Fall doch viele Menschen hier in der Region. Sollte man den Täter finden, könnte man ihn auch ein halbes Jahrhundert noch verurteilen. Jedenfalls wenn es Mord war. Denn Mord verjährt nicht.
Die Mordkommission der Polizeidirektion Ost fragt:
- Wer kann sich an eine junge Frau erinnern, die in den 1960-er Jahren aus ihrem Lebensumfeld plötzlich verschwand? Sie könnte der Frau auf den Phantombildern ähnlich sehen.
Hinweise zur Identität der Frau nimmt die Polizei unter der Telefonnummer (03361) 5680 entgegen.
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